Abgeschmiert by Frank Überall

Abgeschmiert by Frank Überall

Autor:Frank Überall
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Zeitfragen
Herausgeber: Bastei Entertainment
veröffentlicht: 2011-09-05T16:00:00+00:00


WENN SCHLAWINER NETZE KNÜPFEN

Korrupte, geheime Netzwerke wie die »Mallorca Connection« gibt es auf der ganzen Welt. Sie tragen unterschiedliche Namen und Bezeichnungen, ihr Ziel ist aber immer das Gleiche: sich gegenseitig Vorteile zuzuschieben, die illegitim und meist sogar illegal sind. Die wichtigste Währung dabei ist zunächst die Aufmerksamkeit. Wer sich verbunden fühlt, denkt an die Bedürfnisse des jeweils anderen. In China (Platz 78 der TI-Liste) heißt das »guanxi«-Prinzip: Man kann kein Geschäft machen, ohne zuvor von jemandem empfohlen worden zu sein. Das geht so weit, dass man versucht, sich potenzielle Verbündete wie Gegner mit mehr oder weniger kleinen Geschenken gewogen zu halten. Dummerweise bekommt man dabei aber nicht immer das, was man sich wirklich wünscht. Doch auch dafür gibt es in China eine pragmatische Lösung. Im ganzen Land sind »huishoudian«-Geschäfte verbreitet, sogenannte Rückkaufläden. Der An- und Verkauf luxuriöser Waren ist in der jüngsten Zeit vor allem deshalb in die Schlagzeilen geraten, weil dort im großen Stil mit Korruptionsgaben gehandelt worden sein soll. Computer, Schmuck, Alkoholika oder Warengutscheine werden vor allem nach Feiertagen eingetauscht, an denen man sich üblicherweise beschenkt, oder wenn politische Versammlungen oder Entscheidungen anstehen. Im Jahr 2004 wurde ein Beamter erwischt, der Waren für umgerechnet rund 112000 Euro in Bargeld eingetauscht hatte. Daraufhin wurde auf politischer Ebene zwar darüber diskutiert, die Rückkaufläden zu verbieten. Weil sie aber in der Volksrepublik so weit verbreitet und beliebt sind, war das nicht durchzusetzen.

Immerhin versucht China zunehmend, die um sich greifende Korruption in dem großen Land einzudämmen. Immer wieder werden aufsehenerregende Erfolge in diesem Kampf gegen weit verbreitete Praktiken gemeldet. So soll ausgerechnet der ehemalige Leiter eines Amtes zur Ermittlung gegen Wirtschaftsverbrechen rund 950000 Euro Bestechungsgeld angenommen haben. Er wurde im Sommer 2010 zum Tode verurteilt, wobei solche Strafen in China später häufig in eine lebenslange Haft umgewandelt werden. Medienberichten zufolge jubeln die Bürger über solch harte Urteile.

Hochrangige Funktionäre müssen in der Volksrepublik erst seit Kurzem ihre Vermögensverhältnisse offenlegen. Dazu zählen auch Einkünfte von Kindern und Ehepartnern. Für uns ungewöhnlich mutet an, dass in der entsprechenden Vorschrift ausdrücklich der »Verkauf selbst getuschter Kalligrafien« erwähnt wird. Immer wieder war es vorgekommen, dass solche an sich wertlosen Kunstwerke für astronomische Summen veräußert wurden, um so den Fluss von Schmiergeld verborgen zu halten.

Was den Chinesen ihre guanxi, sind den Österreichern ihre Schlawiner. Der Begriff steht für ein augenzwinkerndes Umgehen rechtlicher und moralischer Rahmenbedingungen. Der Europarat attestierte im Jahr 2008 der Alpenrepublik, dass ihre Korruptionsbekämpfung noch in einem »frühen Stadium« verharre. Als Beispiel nannte das Nachrichtenmagazin profil zwei Jahre später das Gesundheitssystem. In dem entsprechenden Artikel wurde die Ärztin Elisabeth Pittermann zitiert, die früher SPÖ-Politikerin und als Stadträtin in Wien für Gesundheit zuständig war: »Auch mir werden Kuverts mit Geld angeboten.« Sie plädiert energisch für eine bessere und fairere medizinische Versorgung. Ein Gesundheitsökonom bestätigt im gleichen Artikel, wie weit verbreitet Schmiergelder in diesem Bereich sind: »Es werden bis zu 50000 Euro geboten, nur um von einem bestimmten Arzt möglichst rasch behandelt zu werden.«

Auch bei der Stadtverwaltung in Wien hat man offenbar nachhaltig mit dem Problem zu kämpfen.



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